Resten zum Reinbeissen
Sandro Furnari ist Geschäftsführer der «Äss Bar». Diese Ladenkette verkauft Esswaren, die in Bäckereien übrigbleiben und informiert über die Verschwendung von Lebensmitteln, auch «Food Waste» genannt. Sandro Furnari sieht sich trotz seinem grossen Engagement als Unternehmer, nicht als Aktivist.
«Frisch von gestern» lautet das Motto der «Äss Bar». Sandro Furnari hat die Ladenkette 2013 mit drei Freunden gegründet. Heute betreibt die «Äss Bar» neun Filialen in der ganzen Schweiz und beschäftigt rund 100 Mitarbeitende. Furnari hat ursprünglich Bauzeichner gelernt und sich zum Bauleiter weitergebildet. Er war Projektmanager beim Bau des Gotthard-Basistunnels, als die «Äss Bar» entstand. Das Projekt wuchs, und er entschied sich 2019, hauptberuflich für die «Äss Bar» zu arbeiten. «Wir haben mit der Idee den richtigen Moment erwischt», blickt der Unternehmer zurück.
Qualität von guten Bäckereien
Die «Äss Bar» verkauft hochwertige Produkte, die in Bäckereien nicht verkauft werden konnten. «Wir bieten eine gute Qualität an», betont Furnari. «Die Produkte wurden von Hand gefertigt, nicht industriell.» Am nächsten Tag seien die Produkte noch immer sehr lecker, erklärt Furnari. «Auch wenn vielleicht das Sahnehäubchen auf dem Erdbeertörtli nicht mehr die perfekte Form hat.»
Die Filialen der «Äss Bar» befinden sich an guter Lage. In Zürich sind sie am Stadelhofen und im Niederdorf. Die ganze Gesellschaft sei Kundin bei der «Äss Bar», sagt der Geschäftsführer. «Studentinnen, Geschäftsleute, Touristen, Arbeiterinnen, Menschen mit wenig Geld, Menschen mit viel Geld, einfach alle.» Manche «Äss Bar»-Filialen funktionieren laut Furnari wie eine Dorfbäckerei: «Wir haben eine grosse Stammkundschaft.» Viele Kund*innen kennen die Verkäufer*innen beim Namen, weiss er.
Ein Drittel wird weggeworfen
Das Thema «Food Waste» ist in den vergangenen Jahren viel bekannter geworden. In der Schweiz wird rund ein Drittel der Lebensmittel weggeworfen: bei der Produktion, der Verarbeitung im Verkauf und in den Haushalten. Die ETH untersuchte dies in mehreren Studien. Der Bundesrat hat 2022 einen Aktionsplan gegen Lebensmittel-Verschwendung verabschiedet. Trotz diesen Bemühungen geht der «Food Waste» in der Schweiz aber kaum zurück. Das beobachtet auch Furnari: «Unsere Partner-Bäckereien haben mindestens gleich viele Produkte übrig wie vor zehn Jahren.»
Über die Jahre hat Furnari gelernt, sich von dieser Entwicklung nicht frustrieren zu lassen. «Ich versuche, mich auf das zu konzentrieren, was ich beeinflussen kann», sagt er. So gibt er zum Beispiel an Schulen Vorträge zur Verschwendung von Lebensmitteln. Auch in seinem Privatleben als zweifacher Familienvater achtet er auf einen sorgfältigen Umgang mit Lebensmitteln: «Mit unserem Konsum können wir beeinflussen, was produziert wird – und das nicht nur bei Lebensmitteln», sagt er. In unseren Händen liege auch, wie viel «Food Waste» in unseren privaten Haushalten entstehe.
«Ich versuche, mich auf das zu konzentrieren, was ich beeinflussen kann.»
Sandro Furnari, Geschäftsführer «Äss Bar»
Resten verwerten mit neuen Ideen
Obwohl der Überschuss an Nahrungsmitteln nicht weniger wird, beobachtet Furnari eine positive Entwicklung: «Immer mehr Menschen überlegen sich, wie Resten verwertet statt weggeworfen werden können. Es entstehen neue Geschäfts-Ideen – gerade in der innovativen Schweiz.» So gibt es Brauereien, die aus Brot Bier brauen, Bäckereien, die aus altem Zopf Brot-Chips herstellen und Firmen, die überschüssige Erdbeeren zu Sirup verarbeiten.
Auch die «Äss-Bar» ist kreativ bei der Verwertung von Resten. Sie beteiligt sich an der Herstellung von Paniermehl und hat in Zusammenarbeit mit der Schokoladen-Herstellerin «La Flor» eine Delikatesse entwickelt: Geschäftsführer Furnari verkleinert Brot, das auch in der «Äss Bar» nicht verkauft werden konnte. «La Flor» röstet die Brotkrümel und überzieht sie mit Schokolade. Es entstehen «Bread Crumbs Dragées». Diese werden schön verpackt und verkauft. «Es geht nicht um grosse Mengen, sondern darum, ein Zeichen zu setzen», sagt Furnari.