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Geschichten aus der SAW

«Manchmal erzählt
Walter von Afrika»

Angela und Walter Wuhrmann leben seit 2017 in der Siedlung Friesenberg, wo sie regelmässig Veranstaltungen und Zusammenkünfte organisieren. Man spürt, dass sie sich aufrichtig für die Geschichten ihrer Mitmenschen interessieren. Wir sitzen bei Kaffee und von Walter gebackenem Kuchen zusammen, Angela erzählt:

«Viele unserer Freunde reagierten erstaunt, als wir in die Alterssiedlung gezogen sind, weil wir hier zu den Jüngeren gehören. Wir haben uns sehr bewusst mit dem Älterwerden auseinandergesetzt – man weiss nie, was alles passieren kann. Tatsächlich erlitt Walter nur wenige Monate nach unserem Einzug einen Schlaganfall, von dem er heute glücklicherweise nichts mehr spürt. In unserer alten Wohnung hätte er sich damals kaum bewegen können, da waren so viele Stolperfallen. Die Bedenken unserer Freunde verfliegen übrigens, sobald sie unsere wunderschöne Wohnung sehen. Wir sind sofort im Grünen und gleichzeitig liegen Tram und Bus, diverse Einkaufsmöglichkeiten, das Triemli-Spital, die Physiotherapie und der Coiffeur in nächster Nähe. Hier ist man am Puls des Lebens: Nebenan liegt eine Schule mit Hort, Fussball-, Tennis- und Pausenplatz, vor dem Haus das Alterszentrum Laubegg, und dazwischen wohnen wir ‹nicht mehr ganz Jungen, noch nicht ganz Alten›.

 

Als wir einzogen, gab es bereits einen Monatstreff. Also haben wir uns mit zwei Flaschen Wein dazugesetzt und sofort gute Kontakte knüpfen können. Bald darauf fragten uns die Mieter*innen, die das jahre­lang organisiert hatten, ob wir für sie übernehmen könnten. Jetzt organisiert Walter die Anlässe und ich unterstütze ihn dabei. Das Programm wechselt immer: Mal liest jemand etwas vor, mal erzählt Walter von Afrika, wo er in der Entwicklungshilfe gearbeitet hat, manchmal organisieren wir einen Spiele- oder einen Lotto-Abend.

 

Wegen Corona konnten wir uns lange nicht treffen. Viele Mieterinnen und Mieter haben sehr unter der Einsamkeit gelitten. Wir haben einander telefoniert und an Geburtstagen oder an Ostern kleine Ge­schenke oder Schokoladehasen an die Türen gehängt. Trotzdem fühlten wir uns – oder eher, fühlte ich mich manchmal wie eine Abtrünnige, weil ich morgens das Haus verlassen konnte. Ich arbeite im Schul- und Sportdepartement bei der Fachstelle für Gewaltprävention und werde Ende nächstes Jahr pensioniert. Walter ist 14 Jahre älter und war früher Bauingenieur. Wir freuen uns sehr auf die gemein­same Zeit, die vor uns liegt.

 

Als Walter den Mittagstisch ins Leben rief, ging er rüber ins Alterszentrum, das ein sehr gutes Restaurant hat, und erreichte, dass wir uns das Essen günstig liefern lassen können. Auch für den Weihnachtsapéro lassen wir die Verpflegung aus dem Alterszentrum kommen. Umgekehrt nehmen wir an den Veranstaltungen im Zentrum teil, an Vorträgen oder Musikabenden, und einige der Mieterinnen und Mieter essen regelmässig im Zentrum oder gehen dort zum Coiffeur.

 

Auch mit dem Quartierverein und ähnlichen Organi­sationen sind wir in Kontakt, aber natürlich sind all diese Aktivitäten absolut freiwillig. Es gibt auch Mieter*innen, die keinen Kontakt suchen, oder solche, die keinen Fuss ins Zentrum setzen würden. Es ist schon etwas anderes, ob man selbstständig und selbstbestimmt in der eigenen Wohnung lebt oder ob man bereits mehr Unterstützung braucht. Auch uns fällt es nicht leicht, dass wir hier häufiger mit Sterben und Tod konfrontiert sind. Dabei war dieser fliessende Übergang zwischen den Lebensphasen einer der Gründe, weshalb wir hierhergezogen sind. Hier im Friesenberg leben wir in einem Mikrokosmos, in dem alle Generationen und viele Lebensentwürfe ihren Platz haben. Das ist eine beflügelnde Mischung, die uns jeden Tag neue Energie zu schenken vermag.»