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Geschichten aus der SAW

«Erst im Alter begann ich, gesund zu leben»

René Vetter ist 92 Jahre alt und freut sich, dass er in diesem Sommer zum 24. Mal an der Seeüberquerung teilnehmen konnte. Seit Jahren schwimmt er mindestens einen Kilometer pro Woche. Das war nicht immer so. «Ursprünglich hatte ich Schriftsetzer gelernt. Diesen Beruf gibt es schon lange nicht mehr. Ich bin in Schaffhausen aufgewachsen und kam in jungen Jahren wegen der Arbeit nach Zürich. Dabei hatte ich Glück, denn ich konnte nach ein paar Jahren in den Aussendienst wechseln. So kam ich weit herum und hatte ein spannendes Leben. In diesen Jahren wäre es mir nie in den Sinn gekommen, selbst zu kochen. Ich ass immer im Restaurant, verbrachte viele Abende in Bars, und wenn ich zurückblicke, schätze ich, dass ich im Durchschnitt wohl mehr als eine Flasche Weisswein pro Tag getrunken habe.

Die bunte Badekappensammlung zeigt, wie oft René Vetter schon an der Zürcher Seeüberquerung teilgenommen hat.
Die bunte Badekappensammlung zeigt, wie oft René Vetter schon an der Zürcher Seeüberquerung teilgenommen hat.
«In der Badi Tiefenbrunnen aus dem Wasser zu steigen, ist ein tolles Gefühl.»
«In der Badi Tiefenbrunnen aus dem Wasser zu steigen, ist ein tolles Gefühl.»
«Seit gut 30 Jahren schwimmt René Vetter jede Woche mindestens einen Kilometer, immer auf dem Rücken.»
Seit gut 30 Jahren schwimmt René Vetter jede Woche mindestens einen Kilometer, immer auf dem Rücken.

Spät erst, mit etwa 50, habe ich geheiratet. Nicht zuletzt deshalb habe ich keine Kinder. Wenn man so alt wird wie ich, kennt man immer weniger Leute, die Freunde sterben weg, und ich muss zugeben, dass ich mich manchmal etwas einsam fühle.

Meine Frau starb an Hautkrebs, als ich 63 Jahre alt war. Das stimmte mich sehr nachdenklich und ich liess mich von Kopf bis Fuss ärztlich untersuchen. Mein Hausarzt meinte, ich sei übergewichtig und ich solle mich mehr bewegen. Er hatte ja recht, ich fühlte mich wirklich nicht gut und hatte sogar erste Anfälle von Gicht. So fing das mit dem Schwimmen an. Anfangs tat ich es nur der Gesundheit zuliebe, aber ich bekam rasch Freude daran. Ein Bekannter erzählte mir von der Zürcher Seeüberquerung, und so geschah es, dass ich im Sommer 1993, mit 63 Jahren, erstmals über den See schwamm.

Es ist ein tolles Gefühl, wenn man in der Badi Tiefenbrunnen aus dem Wasser steigt! Der Start ist jeweils im Strandbad Mythenquai und ich brauche etwa eine Stunde, bis ich am anderen Ufer bin. Früher nahmen noch nicht so viele Leute teil, vielleicht etwa 5’000, und alle bekamen nach vollbrachter Leistung ein kleines Diplom. Auch die farbigen Badekappen mit meiner Nummer drauf habe ich alle behalten.

 

«Seit meiner ersten Seeüber­querung vor gut 30 Jahren lebe ich viel gesünder als früher.»

René Vetter (92), Siedlung Unteraffoltern

 

23 sind es bis heute, denn manchmal wurde der Anlass wegen schlechten Wetters abgesagt. Einmal musste die Überquerung wegen eines Sturms abgebrochen werden, aber ich war schon in der Mitte des Sees. Das Gewitter nahte und die Wellen schwappten mir übers Gesicht. Aber ich wollte keinesfalls in eines der Rettungsboote, sondern habe durchgestanden bis zum Schluss.

Ich wohne in einer kleinen Wohnung in Unteraffoltern. Der Blick ins Grüne gefällt mir besonders gut. Davor hatte ich im Triemli gewohnt, aber wir erhielten alle die Kündigung, weil die Siedlung saniert werden sollte. Auf die Wohnung hier im Wolfswinkel habe ich fünf Jahre gewartet. Zum Glück hatte die Sanierung noch nicht begonnen. Trotz meines hohen Alters brauche ich noch keine Unterstützung, nur die Wäsche überlasse ich der SAW.

Heute geht es mir viel besser als vor 30 Jahren. Auch die Gicht ist längst verschwunden. Ich schwimme regelmässig meinen Kilometer am frühen Morgen im Hallenbad, wenn es noch nicht so viele Besucher hat. Alkohol trinke ich nur noch selten mal ein Glas, und im Restaurant war ich schon ewig nicht mehr. Heute kaufe ich mir Gemüse, Käse und Salat und koche mir selbst einfache Gerichte. So lebe ich nicht nur bedeutend günstiger als früher, sondern auch gesünder. Ich sage immer, das einfache Leben ist viel besser für den Menschen. Ich bin heute jedenfalls zufrieden und viel besser im Strumpf als früher.»