«Die Auseinandersetzung mit der Zukunft ist immer spannend»
Silvia und Franz Keist wohnen seit zwölf Jahren in der SAW-Siedlung Dufourstrasse. Das engagierte Ehepaar hat sich am Dialogprozess Felsenrain: neu – gewohnt beteiligt. Die beiden erzählen, warum sie teilgenommen, und was sie dabei erfahren haben.
«Gemeinschaft ist uns wichtig. Innerhalb unserer grossen Familie ebenso wie an unserem Wohnort. Deshalb haben wir uns von Anfang an in der Siedlung Dufourstrasse, in der wir eine schöne Dreizimmerwohnung haben, engagiert: Begonnen hat es mit Gesellschaftsspielen, wo wir zuerst nur mitgeholfen haben, ein regelmässiges Treffen im Gemeinschaftsraum zu organisieren. Als es unserer Nachbarin, die das Treffen ins Leben gerufen hatte, zu viel wurde, haben wir allein weitergemacht. Genau so war es beim Suppen-z’Mittag, der alle drei Monate stattfand. Später kam der Lotto-Nachmittag dazu, das wöchentliche Yoga, der monatliche Apéro, die Grill-Abende im Sommer… Von all diesen Gemeinschaftsaktivitäten ist leider nur das Yoga geblieben. Wie unsere Nachbarinnen und Nachbarn werden auch wir älter, und die Zahl der Teilnehmenden bei unseren Treffen wurde zuletzt immer kleiner. Als dann die Pandemie ausbrach, schlief unsere Siedlungsgemeinschaft etwas ein. Jetzt ist für uns der Aufwand zu gross, wieder von vorne anzufangen, und übernehmen wollte bisher niemand.
Als wir gefragt wurden, ob wir uns am Dialogprozess zur Entwicklung der zukünftigen Siedlung Felsenrain beteiligen möchten, mussten wir nicht lange überlegen. Uns mit der Zukunft und mit anderen Menschen auseinanderzusetzen, fanden wir schon immer spannend. Ausserdem sind wir grundsätzlich am Thema Alterswohnen interessiert. Franz war vor der Pensionierung Architekt und Silvias Mutter, die als junge Frau, mit gerade mal 38 Jahren, eine Hirnblutung erlitten hatte, musste über viele Jahre gepflegt werden. Sie wohnte in einer behindertengerechten Wohnung der Pro Infirmis, die heute zu einer SAW-Siedlung gehört. Vielleicht haben wir uns deshalb schon früh damit auseinandergesetzt, wie wir leben möchten, wenn wir älter und nicht mehr so mobil sind.
Und so haben wir uns vor etwa 15 Jahren für eine Alterswohnung angemeldet. Das Quartier war uns weniger wichtig, wir fühlen uns rasch überall zuhause. Am neuen Ort sollte es aber flach sein und viele Läden haben, nicht so steil und unbelebt wie beim Waidspital, wo wir früher gewohnt hatten. Etwas mehr als drei Jahre mussten wir warten, bis wir in diese schöne Wohnung im Seefeld umziehen konnten. Zwölf Jahre ist das schon her.
Wenn man älter wird, braucht man mehr Ruhe und Erholung. Auch wenn wir unsere Enkelkinder heiss lieben, sind wir doch jedes Mal ziemlich erschöpft, wenn wir sie hier zu Besuch hatten. Darum stehen wir der Idee, alte Menschen und kinderreiche Familien ins gleiche Haus zu packen, wie das im Felsenrain angedacht ist, eher skeptisch gegenüber. In einem Haus mit so vielen Kindern zu leben, wäre uns viel zu laut und hektisch. In verschiedenen, benachbarten Häusern können wir uns das schon besser vorstellen. Aber noch ist das Projekt «Felsenrain: neu – gewohnt» ja nicht abgeschlossen. Es werden sicher noch viele Ideen gewälzt und verworfen und neu gefunden, bis die neue Siedlung steht. Wir hoffen, dass wir dann zur Besichtigung eingeladen werden – und vielleicht fünf Jahren später noch einmal, um zu sehen, ob die schönen Ideen der Realität standhalten konnten.
«Als wir gefragt wurden, ob wir uns am Dialogprozess zur Entwicklung der zukünftigen Siedlung Felsenrain beteiligen möchten, mussten wir nicht lange überlegen.»Silvia und Franz Keist, SAW-Siedlung Dufourstrasse
Die beiden eintägigen Dialog-Workshops waren enorm spannend. Wir lernten ganz unterschiedliche Menschen kennen: Fachleute, Nachbar*innen aus dem Quartier, andere Mieter*innen der SAW und der Stiftung Wohnungen für kinderreiche Familien, die Verantwortlichen der beiden Stiftungen – und natürlich die Architekt*innenteams, die gleichzeitig die Testplanung entwickelt haben. Wir haben verschiedene Fragen an Sechsertischen diskutiert, deren Besetzung alle zwanzig Minuten neu gemischt wurde. So haben wir in diesen zwei Tagen sehr viele verschiedene Menschen und sehr viele verschiedene Meinungen kennengelernt. Die Diskussionen aus den Workshops trugen wir auch zu unseren Nachbar*innen und in unsere Familie. Dabei haben wir festgestellt, dass das generationendurchmischte Wohnen desto besser ankommt, je jünger die Menschen sind. Das hat uns aber nur in unserer Überzeugung bestärkt, dass es angenehmer ist, wenn wir Alten in eigenen Häusern wohnen und die Familien ein Haus weiter. Aber – auch das haben wir an den Workshops erfahren – es gibt sehr viele, sehr unterschiedliche Vorstellungen davon, wie ältere Menschen in der Zukunft wohnen wollen. Wir haben glücklicherweise auch keinen Grund, umzuziehen. Schliesslich gefällt es uns in der Siedlung Dufourstrasse immer noch ausserordentlich gut.